Unserer Organisation betrachtet Entwicklungszusammenarbeit (EZ) als eine große Chance Armen und Unterdrückten Schichten den Aufstieg in einen selbst bestimmten, sich selbst versorgenden und befriedigenden Status zu erschließen.
Einfacher ausgedrückt: Menschen sollen aus dem Elend herauskommen und glücklicher werden. Dass „Zukunft Irular e.V.“ dies so sieht, ist natürlich darauf zurückzuführen, dass die Menschen, um die wir uns Sorgen machen, Ureinwohner (Südindien) in extrem schwierigen Verhältnissen sind.
Entwicklungsbetreuung oder Social Business?
Das ist hier die Frage.
Aber für uns stellt sich die Frage so nicht! Wir fordern:
Sowohl Entwicklungsbetreuung als auch Social Business!
Natürlich bemühen wir uns für unsere Leute Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen, mit denen sie genug erwerben können, um künftig nicht mehr hungern zu müssen.
So haben wir es etwa Irular in zwei Dörfern ermöglicht aus Sisalpflanzen, die in der Umgebung wachsen, die Fasern zu extrahieren und zu verkaufen und zusätzlich Produkte herzustellen, um auch die zu vermarkten. Weitere Projekte, zum Beispiel mit Heilpflanzen, sind in Vorbereitung.
All dies ist unserer Erfahrung nach nicht aus einer reinen Geschäfts- und Unternehmungstätigkeit heraus aufzubauen. Es bedarf einer Anschubfinanzierung im Rahmen der EZ. Die ist beispielsweise für die Anschaffung spezifischer Arbeitsgeräte erforderlich. In jedem Fall sind aber nachhaltige Ausbildungsmaßnahmen durch Experten nötig – und das kostet eben Geld. Die Ausbildung darf auch nicht zu knapp bemessen werden. (Die Dringlichkeit von Schulungsmaßnahmen über eine angemessene Zeit hinweg, haben leider viele mit EZ befassten Kreise immer noch nicht im Blickfeld!)
Das Ziel muss jedoch sein, dass die Unterstützung in absehbarer Zeit ausläuft und dann eine Phase einsetzt, in der die Menschen mit diesem Business selbstständig auskömmliche Einnahmen erzielen, aber auch von sich aus das Geschäft weiter ausbauen. Das heißt, dass der Aufbau vernünftiger sich selbst tragender Einkommensmöglichkeiten ein vernünftig geplantes (zeitversetztes) Zusammenwirken von Entwicklungszusammenarbeit und Social Business erfordert.
Entwicklungsförderung - unabdingbar für die Ausbildung unterversorgter Kinder
Unser Hauptziel ist aber nun den Kindern der Irular Ausbildungsmöglichkeiten zu erschließen. Sie hatten vormals keinerlei Chance eine schulische Ausbildung zu erhalten, und damit auch keine Möglichkeit einen Beruf zu ergreifen, der ein auch nur einigermaßen auskömmliches Leben ermöglicht.
Diese Kinder müssen unterstützt werden – auch mit Schulspeisung, Vorschule, Nahhilfe. Das ist für eine günstige Entwicklung dieser Volksgruppen eine unabdingbare Voraussetzung.
Aber wie soll das über Social Business gehen? Hier ist absolut Entwicklungsförderung erforderlich ( – und zwar gleichgültig, ob man das im Hause Niebel einsieht oder eher nicht).
Entwicklungszusammenarbeit ist an sich nicht falsch, wird nur oft falsch gemacht
Es ist wohl wahr, dass Entwicklungszusammenarbeit weitgehend fehlschlägt und dass man deshalb die Karte Social Business aus dem Ärmel zaubert. Die Fehlschläge sind aber kein Markenzeichen der Entwicklungszusammenarbeit an sich, sondern sie sind darauf zurückzuführen, dass
+ die falschen Adressaten gefördert werden;
+ die falschen Organisation vor Ort mit der Durchführung beauftragt werden.
Falsche Zielgruppe
Man glaubte lange Zeit, man solle nicht die eigentlich Armen fördern, sondern geschäftlich aufstrebende Schichten. Denn wenn die Wirtschaft so richtig angekurbelt werde, werde auch von dem Wohlstand, der sich ausbreite, schon auch noch genug zu den Notleidenden nach unten sickern. Bei dieser Trickle down Theorie handelt es sich um eine Variante der Auffassung, dass der „freie Markt“ letztlich sich zugunsten aller auswirke. Der „freie“ Markt sei das sozialste Instrument überhaupt, denn er, er allein werde schon alles richten!
Nun haben wir leider inzwischen die bittere Erfahrung gemacht (die bedauerlicherweise noch nicht überall angekommen ist), dass er durchaus nicht alles richtet, vor allem dann wenn es um Soziales geht. Und heruntergesickert ist natürlich auch überhaupt nichts. Die erwarteten Sekundäreffekte sind ausgeblieben. Im Gegenteil - die Armen wurden noch ärmer, weil die Wohlhabenderen noch reicher wurden und ihre verbesserte Position gegenüber den Ärmeren – wie Menschen halt so sind! – dann auch entsprechend ausnutzten.
Das heißt wir müssen – und dafür steht Zukunft Irular e.V. – die Förderung direkt den Bedürftigen zu Teil werden lassen. Und die Ureinwohner sind die, die am meisten leiden - gefährdet und unterdrückt wie sie sind!
Missgriffe bei der Wahl einheimischer Betreuungsorganisation:
Wir haben die Erfahrung gemacht, das vielfach (natürlich nicht immer, wir wollen dass nicht verallgemeinern!) auf Betreuung ausgerichtet Organisation, nicht zuletzt auch kirchliche Gruppierungen daran interessiert sind, aus verschiedenen Gründen die Betreuung aufrecht zu erhalten. Die Betreuten werden von oben herab behandelt und nicht aus der Betreuung entlassen. Und das steht natürlich dem Entwicklungsgedanken entgegen.
(„Institutionalisierte Beteiligung von Zielgruppenvertretern an Entscheidungen und Kontrolle ist in kirchlichen Entwicklungsprojekten nicht häufig vorzufinden. Partizipation und Transparenz kann für eine Kirche, die hierarchisch und autoritär geführt wird, schwierig sein.“ Aus: „Korruption in der Entwicklungszusammenarbeit – ein Problem auch für kirchliche Organisationen.“ Arbeitspapier von Transparency International Deutschland e.V. 2007)
Wir sind einen anderen Weg gegangen.
Die zu unterstützende Zielgruppe als Selbsthilfe Partner-Organisation
Unsere Partner-Organisation ist eine Selbsthilfeorganisation von Irular Frauen. Sie wird von uns beraten, aber nicht bevormundet. Durch die Selbstorganisation haben die Frauen sehr schnell ein verstärktes Selbstbewusstsein entwickelt. Sie haben erfahren, dass sie an ihrer eigenen Entwicklung mitarbeiten können, ja die dass sie selbst es sind, die diese Entwicklung wesentlich vorantreiben. Es muss also in Zukunft vielmehr, als bisher auch in der offiziellen Entwicklungspolitik üblich, darauf geachtet werden, welche inneren Einstellungen in den einheimischen Partnerorganisationen vorherrschen. Wird da die richtig Wahl getroffen, dann geht auch nicht mehr so viel schief in der Entwicklungszusammenarbeit.
Eines aber möchten wir aus unserer Erfahrung heraus betonen: Ohne eine faktenentscheidende Mitwirkung der betroffenen Zielgruppen geht es nicht. Nur so kann Entwicklungszusammenarbeit effektiv werden.
Es geht keinesfalls darum zu fragen: Fördert die Entwicklungszusammenarbeit die Entwicklung eher oder behindert sie sie? Sie fördert sie – vorausgesetzt sie wird richtig gemacht. Und das ist unsere Aufgabe, nämlich herauszufinden, was an der real existierenden EZ faul ist - und wie sie zu handhaben ist, damit sie wirklich effektiv wird.
Ein „weiter so“ wird nicht weiter führen
Also: Natürlich streben wir an, dass möglichst viele unternehmerische Strukturen entstehen, die die Ärmsten in die Lage versetzen, sich aus ihrem Elend hochzuarbeiten. Sozial Business ist wichtig, sogar unverzichtbar. Es kann aber Erfolg versprechend zur Förderung gerade der Allerärmsten nur in Verbindung mit Entwicklungszusammenarbeit in die Wege geleitet werden.
Reiner Kapitalismus geht gar nicht. Der ist auch durch Social Business nicht zu retten
Wir dürfen nicht übersehen, dass die Voraussetzung für funktionierenden Kapitalismus, nämlich Wachstum, inzwischen bereits an seine Grenzen gestoßen ist. Und das bedeutet generell, dass Wirtschaft in naher (!) Zukunft ganz anders betrieben werden muss. Statt Wirtschaft mit der egoistischen Fratze des Kapitalismus brauchen wir Wirtschaft mit menschlichem Antlitz. Und das gilt natürlich auch für die Entwicklungspolitik.
Günter Spitzing
Zukunft Irular e.V.
040 6013881